Erinnerungsort Topf & Söhne Erfurt

Erinnerungsort Topf & Söhne – Die Ofenbauer von Auschwitz, Erfurt
In Zusammenarbeit mit Gerd Fleischmann
Bauherr Stadt Erfurt
Fertigstellung 2011
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BDA Architekturpreis Thüringen 2011 | Nominierung Nike Architekturpreis 2013 | Label „best architects 12“ in gold | Anerkennung Europäischer FarbDesignPreis 2010-2011 | Baumeister B3, 2011 | Die ZEIT 4/2011

Das Gelände der ehemaligen Maschinenfabrik J.A. Topf & Söhne wurde bis 1945 im Westen vom Sorbenweg – ehemals Dreysestraße – im Osten von der Rudolstädter Straße, im Norden von der Weimarischen Straße und im Süden von der Saalfelder Straße begrenzt.  Das gesamte Firmengelände wurde 2010 bis auf den Bereich um das ehemalige Verwaltungsgebäude, den Erinnerungsort, geräumt. Die Gebäude mussten einer neuen Nutzung weichen.
Die Grundstückspartie vor dem Verwaltungsgebäude der ehemaligen Firma J. A. Topf & Söhne am heutigen Sorbenweg zeigte sich zur Zeit des Betriebes als repräsentativer  Zugangs- und Anlieferungsbereich. Reste der Begrenzungsmauer und der Zufahrts-Tore sind erhalten geblieben, in der Fläche Bodenplatten aus Beton sowie Pflasterungen, die als Fahrbahn- und Lagerbeläge für Lieferfahrzeuge o. ä. genutzt wurden.
Weiter zählen im direkten Bereich des Erinnerungsortes Reste der ehemaligen Montagehalle III im Süden des Verwaltungsgebäudes sowie die Montagewerkstatt und das Versandlager im Norden zum originalen Bestand aus der Zeit bis 1945.

Spuren
Um das Verwaltungsgebäude in seinem historischen Kontext lesbar zu machen, wurden Gebäude- und Bodenfragmente wie Außenmauern, Betonböden, Podeste, Wege u. ä. bis zu einer Höhe von ca. 50 cm über dem Geländeniveau lesbar gemacht.
Die nicht bis 1945 als Betriebsflächen zu datierenden Bereiche wurden geräumt und mit einer monochromen Basalt-Splitt-Decke als Rahmung für die historischen Fragmente ausgebildet. Die authentischen Spuren sind so klar abgegrenzt.
Die Fläche um das ehemalige Verwaltungsgebäude wird zu einer berührbaren Karte der Erinnerung, die über den Balkon an der Westfassade in die Ausstellung und in didaktische Veranstaltungen einbezogen werden kann.
Das Gelände-Relief wird von Gehwegen umsäumt, die sich von der Gestaltung der Flächen mit historischen Spuren und Splittbelag deutlich abheben. Sie bilden gemeinsam mit den Baum bestandenen Parkplätzen den „Alltag“. Hier entsteht ein prägnanter Schnitt zwischen Alltag und Erinnerung, der gleichzeitig eine Schwelle zu diesem besonderen Raum im neu geschaffenen Stadtgefüge beschreibt. Gleichwohl grenzt sich der Erinnerungsort, der durch diesen umlaufenden Schnitt im Gelände definiert ist, nicht gegen seine Umgebung ab. Der Zugang ist einfach, offen und von allen Himmelsrichtungen aus möglich.

Ein Zeichen für Ankommende – Ort der Erinnerung
Der ehemals Ankommende wurde am Sorbenweg von einer pfeilergestützten Begrenzungswand zu den beiden Einfahrtstoren der Firma geleitet. Der Zugang wurde über eine Pforte kontrolliert.
Heute ist die Begrenzung durchlässig. Das Gelände ist einsehbar und und kann ohne Kontrolle betreten werden.
Stelen aus Cortenstahl zeichnen die Standorte der ehemaligen Mauerpfeiler und Teile der Tore nach.
Diese Objekte dienen in ihrer Signalhaftigkeit sowohl der Erinnerung und als auch der Veranschaulichung.
Nahe dem nördlichen Zugang ist ein Ort des Gedenkens für die Opfer der damaligen Verbrechen errichtet. Der „Stein der Erinnerung“ versperrt den direkten achsialen Zugang, der damals als repräsentativer Hauptzugang benutzt wurde.
Ein großes begehbares Massenmodell auf Stützen, etwa im Maßstab 1 : 50, ca. 15 cm über Gelände, aus Stahlguss – im Herstellungsprozess wie die Türen der Verbrennungsöfen gefertigt –, zeichnet den gesamten Betrieb in seiner Ausdehnung 1945 nach. Es flankiert – etwas angehoben auf einer bestehenden Betonplatte – den Eingang zum Gebäude. Das Modell steht in direktem Bezug zu den Spuren des ehemaligen Bestands und kann in unkomplizierter und anschaulicher Weise in didaktische Konzepte einbezogen werden.
Sieben Stelen aus Cortenstahl erinnern an einigen markanten Orten und Blickpunkten an das ehemalige Betriebsgelände und die abgerissenen Produktionsgebäude.

Das Gebäude als authentischer Ort
Das ehemalige Verwaltungsgebäude der Firma J.A. Topf & Söhne wirkt nunmehr als Solitär. Ein Zitat an der Nordwestecke des Gebäudes, die Grußformel „…stets gern für Sie beschäftigt…“ unter einem Geschäftsbrief vom 2. Februar 1943 an die Zentralbauleitung der Waffen-SS und Polizei in Auschwitz, gibt einen ersten Hinweis auf die Inhalte der Ausstellung, die sich dem Besucher während der Begehung des Geländes und des Hauses erschließen sollen.
Als wesentliches Exponat der Ausstellung „Techniker der Endlösung . Topf & Söhne – Die Ofenbauer von Auschwitz“ wurde das Gebäude behutsam und unter Beratung und Aufsicht der Städtischen Denkmalpflege saniert.
Spuren der Veränderungen werden als Exponate etabliert.
Innen wie außen werden nicht authentische Schichten entfernt. Authentisches bleibt unverdeckt und nackt. So werden Zeit und Geschichte, die die Bauteile tragen, für Besucher sicht- und lesbar.
Die notwendig zu erneuernden Fenster erhalten die historischen Teilungen, ihr Material, wie ehemals Holz, bleibt teilweise sichtbar. Die modern interpretierten Zugangstüren weisen in ihrer Gestaltung auf die Bedeutung des Ortes und die Aktualität der Ausstellung hin.
Ein neuer Fußboden und in die Wände geschnittene raumhohe Öffnungen weisen den Besuchern einen eigenen Weg. Die Ausstellungseinrichtung zeigt dieselbe Farbgebung wie die Böden. Im nunmehr frei gelegten authentischen Raum werden Weg und Ausstellung als lesbar neu eingebrachte Zeit-Schicht und als dauerhafte Einrichtung verortet.
Die transparente Farbgebung der freigelegten Wände sucht die Verwandtschaft mit den ausgestellten Dokumenten. Die noch vorhandenen Türen und deren Überreste verbleiben am Ort und werden wie das gesamte Haus zu Exponaten.
Die Ausblicke von den ehemaligen Zeichensälen und Arbeitsräumen auf die Umgebung werden durch transluzente Beschichtungen der Fensterscheiben verwehrt. Durch das gefilterte Tageslicht entsteht eine kontemplative Stimmung, die es dem Besucher ermöglicht, sich konzentriert und unabgelenkt auf den Ort des damaligen Geschehens und die darüber berichtende Ausstellung einlassen zu können. Lediglich der Blick von Kurt Prüfer, des maßgeblichen Konstrukteurs der Öfen für Auschwitz, auf Buchenwald und die nahe gelegenen Bahngleise werden ermöglicht, um Zusammenhänge und Dimensionen des Geschehens aufzudecken.
In Teilen des Erdgeschosses, im ehemaligen Treppenhaus und im 3. Obergeschoss, dem ehemaligen Arbeitsplatz von Kurt Prüfer, wurden die Räume für die Dauerausstellung freigelegt.
Das 2. Obergeschoss steht für die Bereiche Pädagogik und Personal sowie für Wechselausstellungen zur Verfügung. Ein speziell für die Dauerausstellung produzierten Film über das Unternehmen und das Betriebsgelände zeigt Aspekte des Erinnerns im Zeitraffer. Für besondere Veranstaltungen wurde ein Seminarraum mit bis zu 100 Plätzen geschaffen und eine Besucherbibliothek eingerichtet.
In einem zukünftigen Bauabschnitt können den Besuchern Fundstücke aus dem Untergeschoss des Gebäudes und ein separater Filmraum zur Verfügung gestellt werden.