„Wirkung in der Seele entfachen“
Es gibt nur eine kleine Gruppe von Architektinnen und Architekten, die Kirchengebäude planen und bauen. Konstantin Pichler und Jochem Kastner gehören dazu. Mit ekir.de sprachen sie über ihre Arbeit.
In den vergangenen zehn Monaten hat das Architekturbüro Kastner-Pichler fünf Preise bei Architekturwettbewerben im Bereich der Evangelischen Kirche im Rheinland (EKiR) gewonnen, darunter auch ein Preis für das Speisehaus im Theologischen Zentrum Wuppertal. Dort arbeiten schon die Bagger, um den Entwurf der beiden Architekten zu verwirklichen. Warum ist der Bau von Kirchengebäuden für Sie interessant?
PICHLER: Jochem Kastner und ich hatten denselben Lehrer. Die Auseinandersetzung mit Bewegung im Raum, Stille als Raumstimmung, Kontemplation und Ganzheitlichkeit in der Architektur haben wir bei Peter Kulka intensiv geführt. Mich hat die Wirkung von Architektur auf Empfindungen schon im Studium interessiert. Ich habe mein Studium mit einer Arbeit zu diesem Thema abgeschlossen, einem Haus der Meditation am Niederrhein. Für unser Büro ist es also folgerichtig, uns mit Kirchengebäuden auseinanderzusetzen, die eben genau diese Grundlagen benötigen, um eine Wirkung in der Seele zu entfachen.
KASTNER: Und es ist neben dem Schaffen von Räumen, die den Menschen helfen den Blick nach innen zu richten, sicher auch die Auseinandersetzung mit dem Thema Kirche in unserer heutigen Gesellschaft.
Was ist wichtig bei der Planung von Kirchenbauten?
PICHLER: Diese Bauten möchten den Blick in das Innere eines jeden Besuchers richten. Kirchenbauten benötigen dazu eine Seele. Eine große Rolle spielt der Ort. Ein weiteres Instrument ist Licht, das im Zusammenspiel mit einem Ort Einklang erzeugen kann und Stille. Mit einem gesteuerten Lichteinfall und oder einem besonderem Blick in die Landschaft wird der Raum zu einem besonderen Ort, der mit seiner gezeigten Seele die Seele der Besucherin und des Besuchers anspricht. Leere und Stille können ein Hintergrund für eine solche Blick- und Gehörlenkung nach innen sein. Gelingt das, kann man die Welt aus einem anderen Blickwinkel neu betrachten.
KASTNER: Dazu müssen wir neben diesen klassischen Anforderungen auch die praktische Frage beantworten, wie man mit sehr stark schwankenden Besucherzahlen in Kirchenräumen umgeht.
PICHLER: In Duisburg haben wir beispielsweise flexible Wände in dem Kirchenraum unter Emporen entworfen, um im Alltag Bereiche für kleine Gruppen separiert nutzbar zu machen. Zu den großen Festen wie Weihnachten, Ostern oder Konfirmation ist es dann möglich, diese dem Kirchenraum wieder zu öffnen, um Platz für viele Besucher zu schaffen.
Was für ein Gefühl ist es, durch ein selbst entworfenes fertig gebautes Gebäude zu gehen?
KASTNER: Es ist das gleiche Gefühl wie nach Fertigstellung eines guten Wettbewerbsentwurfs. Man hat das Gefühl, dass es stimmt. Es steht im Einklang mit der eigenen Seele, da es ein Stück von einem selber ist.
PICHLER: Im Fußball sagt man: Nach dem Spiel ist vor dem Spiel. Aber im Ernst: Es steckt viel Herzblut in den Arbeiten und man weiß um die viele Arbeit, die nötig ist, um ein Bauwerk zu planen und herzustellen. Es ist schon erhaben, mit diesem Wissen durch ein fertig gestelltes Bauwerk zu gehen.
Zwei Sätze zum Speisehaus in Wuppertal?
PICHLER: Wir wollten einen Speiseraum schaffen, der dem Gast zum einen das Gefühl vermittelt, Teil einer großen Gemeinschaft zu sein, und es ihm zum anderen aber auch ermöglicht, seine Mahlzeit in einer kleinen, abgeschlossenen Gruppe zu sich zu nehmen. Das haben wir mit dem klassischen Motiv des Mittel- und Seitenschiffs erreicht.
KASTNER: Speiseräume sind seit je her sowohl Orte des Austauschs und Gesprächs als auch der Besinnung und der Einkehr. Im Speisehaus soll ein identifikationsstarker Ort entstehen, der dem Ritual der gemeinsamen Mahlzeit eine passende Umgebung bietet und räumlich wie sozial eine zentrale Rolle im Alltag des Theologischen Zentrums spielt.
ekir.de / Petra Anna Siebert / 26.07.2012